5. internationales Open von Montebelluna Bericht von Andreas Steger
Nach dem eher mäßigen Abschneiden in der Südtiroler Mannschaftsmeisterschaft wollte ich genau wissen, wie es um mein Spiel steht. Dazu suchte ich mir kurzfristig das Open von Montebelluna in der Provinz Treviso aus, das vom Schachclub B. Vergani ausgetragen wurde.
Ehrlich gesagt war mir nicht unbedingt nach einer Teilnahme, nachdem ich die Details der Ausschreibung gesehen habe. Auf dem Programm standen fünf Runden, die mit der FIDE-Bedenkzeit von 100 Minuten plus 30 Sekunden für jeden Zug zu absolvieren waren. Die ersten Tests zu Hause verliefen auch nicht wunschgemäß. Dennoch wollte ich diese Erfahrung machen. Im Open B waren Teilnehmer mit einer FSI-Elozahl unter 2000 Punkten zugelassen, es beteiligten sich 47 Spieler daran, ich war die Nummer 26 der Startrangliste.
Der Spielsaal im Gasthof "Grappolo d'Oro" war sehr geräumig, es herrschten angenehme Temperaturen und die Spielgarnituren wirkten äußerst nobel: Noch im Open B bestanden die Spielesets aus Holzfiguren und Holzbrettern. Für den Geräuschpegel sorgten die Spieler selbst. Das war vielleicht das einzige Manko, das ich im Verlauf des Turniers ausmachen konnte. Leider war der ansonsten sehr freundliche FIDE-Schiedsrichter Renzo Ranier diesem Punkt nicht unbedingt gewachsen, was in der zweiten Runde dazu führte, dass einem der Spieler lautstark der Kragen platzte... (wobei hinzugefügt werden muss, dass dieser selbst um keinen Deut besser war...).
Besonders beeindruckt hat mich - und einige andere Teilnehmer auch - die Leistung eines Spielers mit dem Namen Maurizio Soppelsa aus der Provinz Vicenza, der seine Züge auf einem Blindschachspiel ausführte. Ich habe das schon auf Fotos gesehen, aber noch niemals mit eigenen Augen. In Erinnerung bleiben auch ein Spieler gehobenen Alters, dessen Pullover ein unfachmännisches Flickwerk war, ein Spieler, der ständig Handschuhe anhatte und GM Igor Efimov, der immer freundlich war und nach drei Siegen am Schlusstag mit zwei Kurzremisen einen gemütlicheren Gang einlegte (O-Ton: "Wir sind Pazifisten...") - zum Nutzen von Danyyl Dvirnyy, dem späteren Sieger.
Mein Gegner der ersten Runde war mit Elo 1846 die Nummer drei der Setzliste, Alberto Pompili aus Treviso. Nach 26 Zügen ist die Stellung blockiert, und neben dem Brett steht ein abgetauschtes Leichtfigurenpaar. Er bietet die Punktteilung an. Weil ich nicht sehen kann wie ich weiterkommen könnte, nehme ich an. Vor der fünften Runde sagte er zu mir, ich sei zwar sein eloschwächster Gegner gewesen, habe aber die beste Leistung seiner Gegner gezeigt.
In der zweiten Runde war Lokalmatador Giuseppe Valbusa (Elo 1631) an der Reihe. Erneut entsteht eine Blockadestellung. Im Glauben, Vorteil aus der halboffenen a-Linie erlangen zu können wird der Randbauer abgetauscht. Die Rechnung wäre beinahe aufgegangen, leider versäumte ich einen Bauernvorstoß am Königsflügel, welcher den gegnerischen König in Bedrängnis gebracht und mir Vorteil verschafft hätte. Statt dessen bekomme ich die Auswirkungen der FIDE-Bedenkzeit zu spüren, die mir einige Züge lang zu schaffen macht. Mein Gegner hat noch ausreichend Bedenkzeit zur Verfügung und kann in aller Ruhe seine Giftpfeile aus dem Köcher holen. Schließlich unterläuft mir ein verhängnisvoller Fehler. Ich gebe sofort auf.
Thomas De Bortoli (Elo 1506) ist elf Jahre alt, hat langes, mit einem Haarreifen zusammengebundenes Haar, trägt Ohrenringe und wirkt äußerlich sehr feminin. Wer seinen Namen nicht weiß denkt tatsächlich daran ein Mädchen vor sich zu haben. Was nicht nur mir passierte. Er verteidigt sich recht geschickt, ein taktischer Fehler kostete aber zunächst einen Bauern. Danach spielte er ziemlich lustlos weiter - bis er in aussichtsloser Stellung endlich aufgibt.
Am Sonntag Vormittag erwartet mich Denzio Bortolotto, mit Elo 1611 immerhin Spieler der zweiten Kategorie. Zugegeben, ich kenne nicht viele Eröffnungstricks, aber ich wollte meinen Augen nicht trauen, als er schnurstracks in eine Falle läuft (in der Chessbase-Datenbank gibt es davon sage und schreibe 40 Partien!). Im Ergebnis habe ich bereits nach neun Zügen eine Figur mehr, der Rest erinnert eher an Anfängerschach. Die ganze Partie war eine einzige Enttäuschung.
Entschädigt hat mich dafür die Partie in der fünften und letzten Runde. Der erst zehnjährige Marco Codenotti aus Pisa hat bereits die zweite Kategorie in der Tasche. Von Beginn an greift er vehement an, wobei beide Spieler mit taktischen Nadelstichen ans Werk gehen. Das führte dazu, dass er an seinem 23. Zug 53 Minuten lang nachdachte. Als Antwort überlege ich ein Qualitätsopfer, leider finde ich auf dem Brett nicht die richtige Fortsetzung dazu. Die Fritz-Analyse ergab, dass es korrekt und gewinnbringend gewesen wäre.
25. ...Te3 !! gewinnt
Leider entging mir dieser, und ich verbrauchte in der Folge sehr viel Bedenkzeit und musste mich bald wieder auf das "Blitzen" verlegen. Inzwischen waren alle anderen Partien zu Ende, und nicht wenige Zuschauer verfolgten nun unser Geschehen auf dem neunten Brett. Und wieder war es die Bedenkzeitregelung, die zum entscheidenden Fehler führt. So ein Pech!
Trotz der Niederlage war es die interessanteste, aber auch anstrengendste Partie des Turniers aus meiner Sicht. Im Ergebnis bleibt ein Zuwachs von 24 FSI- und 20 SSB-Elopunkten und Rang 22. Immerhin...
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